„Are you happy, or are you sad, to arrive Santiago de Compostela?“
Bist du froh, oder bist du traurig, Santiago de Compostela zu erreichen?
Als wir am 127. Tag unserer Pilgerreise von einem älteren englischen Hospitalero (einem ehrenamtlichen Mitarbeiter der englischen Pilgerherberge bei Miraz) überholt wurden, stellte er uns (Ute und mir) genau diese Frage!
Ich konnte diese Frage schon damals nicht beantworten. Sie hat mich damals, wie heute beschäftigt. Als wird dann am 131. Tag am 14. August 2017 Santiago de Compostela erreichten, fand ich immer noch keine Antwort darauf.
Natürlich waren wir glücklich, nach rund 2.860 km Gesamtstrecke von Köln aus, unser Ziel erreicht zu haben. Aber wir waren zugleich auch irgendwie traurig darüber, dass nun alles vorbei sein sollte. Wir verbrachten noch einige Tage in Santiago de Compostela, bevor wir unsere Heimreise antraten.
Man sagt: „Ein jeder findet bei der Ankunft ‚sein‘ Santiago de Compostela“ vor und ich glaube, dass dem wirklich so ist!
Wenn man sich mit Pilgern unterhält, erhält man zu diesem Thema viele verschiedene Antworten. Manche Pilger sind vom Gefühl überwältigt, das Ziel erreicht zu haben, andere empfinden hierbei nichts oder nicht viel. Manche Pilger nehmen Santiago de Compostela „in sich auf“, samt den Gassen, den Menschen, den Kirchen und der Kathedrale.
Oft werden wir gefragt, ob wir uns durch die Pilgerreisen total verändert haben. Ich sage dann immer gerne: „Nun, ich bin sicherlich nicht durch meine Pilgerreise nach Santiago de Compostela zum „Super-Christen“ geworden, aber verändert hat mich der Weg auf jeden Fall. Viele meiner Einstellungen haben sich geändert, mein Glaube und meine Einstellung hierzu haben sich geändert.“
Ich glaube aber auch, dass es hierauf einfach keine Pauschalantwort gibt. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass der Weg jeden ändert, der sich über einen längeren Zeitraum auf Pilgerreise begibt. Vielleicht liegt es auch daran, dass man auf dem Weg viel Zeit bekommt, im wahrsten Sinne des Wortes „über Gott und die Welt“ nachzudenken. Manche Pilger kommen sogar genau hiermit nicht zurecht!
Sicher, wenn man viele Stunden am Tag pilgert oder wandert und das durch teils sehr einsame Gegenden, oder Gegenden ohne viel Abwechslung, dann bekommt man genug Zeit zum Nachdenken. Zuerst denkt man über den Tag nach, danach über zurückliegendes oder liegen gebliebenes. Dann kommen irgendwann die Gedanken, die man schon lange glaubte „ad acta“ gelegt zu haben. Und dann? Dann kommt eventuell irgendwann der Zeitpunkt, an dem man scheinbar nichts mehr zum Denken hat. Genau hiermit haben scheinbar viele Pilger zu kämpfen, wie ich aus vielen Gesprächen mit anderen Pilgern weiß.
Vielleicht, lieber Leser haben sie sich die Frage ja auch schon einmal gestellt, oder werden sie sich stellen, wenn Sie Santiago de Compostela erreichen: „Are you happy, or are you sad, to arrive Santiago de Compostela?“
Buen Camino!
Bildnachweis:
C. by W.Lethtert: Kathedrale von Santiago de Compostela am Abend des 14.08.2017